07.12.2023 - Christian Weißgerber, ein Aussteiger aus der Neonaziszene stellt sich heute den Fragen der Schülerinnen und Schüler aus den Klassen 9 und 10.
Mit dem Aussteiger aus der Neonaziszene Christian Weißgerber hatte die Bischof Manfred Müller Mittelschule einen relativ prominenten Vortragsredner aus Berlin zu Gast, der mit seiner jugendlichen Sprache und seiner bildlichen Schilderung sehr genau den Nerv der Schülerinnen und Schüler traf. Im ersten Block seines Vortrags versuchte Herr Weißgerber, den Schülern nahezubringen, warum er als Jugendlicher in die Naziszene geriet. Dabei machte er deutlich, dass es eine Vielzahl an verantwortlichen Faktoren gab.
Sein Elternhaus beschreibt er als zerrüttet, er habe eine „krasse Kindheit“ erlebt. Sich selbst bezeichnet er als nicht als bildungsfern, schließlich habe er seine Gymnasialzeit mit dem Abitur abgeschlossen und sich immer sehr für Geschichte interessiert. In seiner Geburtsstadt Eisenach sei ihm immer wieder vermittelt worden, dass die Deutschen eine vom Aussterben bedrohte Elite seien. Nicht zuletzt habe er aber damals Freunde gehabt, die ihn in die Naziszene der Region einführten. Er habe es sehr genossen, dass andere ab diesem Zeitpunkt Angst vor ihm gehabt hätten.
Weißgerber illustriert seine Erzählung mit zahlreichen Fotos, die ihn bei verschiedenen Veranstaltungen der Naziszene zeigen. Er selbst entsprach dabei nie dem Klischee eines Neonazis, sondern sah damals aus wie ein ganz normaler Jugendlicher. In seiner aktiven Zeit wurde er als Redner bei Veranstaltungen der Neonazis gebucht, organisierte Konzerte und drehte Propaganda-Videos. Im zweiten Teil der Veranstaltung konnten die Schülerinnen und Schüler Fragen stellen. So wollte eine Schülerin zum Beispiel wissen, ob er seine Taten bereue. Weißgerber antwortet, dass ihm der Begriff „Reue“ nichts bedeute, er sei oft heuchlerisch. Er verwende für sich lieber den Begriff „Verantwortung“, die er für seine Taten übernehmen wolle. Dazu gehöre auch, dass er jetzt in seinen Vorträgen junge Menschen davor bewahren wolle, dieselben Fehler zu machen wie er selbst.
Der Ausstieg aus der Szene sei ihm sehr schwergefallen und bedurfte eines hohen Leidensdruckes. Denn die Zugehörigkeit zur Neonaziszene sei wie eine Art „Religion“, die das Leben der Mitglieder bestimme. Er selbst sei zunehmend desillusioniert gewesen ob der nicht zu erreichenden Ziele, der ständigen Konfrontation mit Behörden und Polizei. Auch habe sich sein Umfeld verändert, durch sein Studium habe er andere Leute kennen gelernt, die ihn auch it anderen Ansichten konfrontiert hätten. So sei er schließlich 2010 ausgestiegen.
Geblieben seien seine Tattoos, die er nach und nach überstechen lassen habe. Er riet den Schülerinnen und Schülern, sich deshalb genau zu überlegen, ob und welche Tattoos man sich stechen lasse. Leider musste die Diskussion an dieser Stelle ein bisschen zu früh beendet werden, da Herr Weißgerber seinen Zug erreichen musste. Er versprach aber, dass offene Fragen in einem zusätzlichen Zoom-Meeting besprochen werden könnten.
In einer Reflektion nach der Veranstaltung äußerten sich die Schülerinnen und Schüler der Klasse M10 sehr positiv über den Vortrag. Sie haben sehr viel Neues erfahren und das Projekt habe sich wirklich gelohnt.
An dieser Stelle herzlichen Dank an unseren Förderverein für die großzügige Unterstützung dieses wichtigen Vortrages.
Text und Bilder: Andreas Detterbeck